Mund- und Fußmaler*innen

Selma Aman ist Mundmalerin. Sie kam mit einer Spastik zur Welt, die verhindert, dass sie ihre Hände gebrauchen kann. Also hilft sie sich seit frühester Kindheit mit Mund und Füßen. Und mit einem unbändigen Willen: „Ich muss mir immer was beweisen“, meint sie. Nach der Ausbildung zur Bürokauffrau holte Selma Aman den mittleren Bildungsabschluss nach, legte das Fachabitur ab und begann mit einem Jurastudium. Die Krebserkrankung ihrer Mutter führte sie zurück zur Malerei – und dadurch auch zum MFK-Verlag und zur VDMFK. Seitdem steht ihr Leben ganz im Zeichen von Motivsuche, Farbwahl und Maltechniken.
Lars Höllerer ist ein vielseitig begabter Künstler und beeindruckt nicht nur als Maler: Er ist ein Mensch, der mit viel Humor und Mut einen Weg gefunden hat, mit seiner starken Behinderung umzugehen. Seit einem schweren Motorradunfall im Jahr 1991 ist er vom Hals abwärts gelähmt und kann nur noch seinen Kopf bewegen. Seine ersten Malversuche mit dem Pinsel im Mund unternahm er bereits in der Tübinger Rehabilitationsklinik. Zurück in seiner Heimat Überlingen, hat Lars Höllerer seine Maltechniken stetig weiterentwickelt und malt heute, je nach körperlicher Verfassung, täglich mehrere Stunden.
Sein Leben begann 1942 mit einem Frühstart: Günther Holzapfel wurde zweieinhalb Monate zu früh geboren. Durch Komplikationen bei der Geburt kam es zu solch schwerwiegenden Verletzungen, dass er spastisch gelähmt blieb. Schon früh hat Günther Holzapfel seine Begeisterung für das Malen entdeckt: Er war gerade sechs Jahre alt, als er zum ersten Mal versucht hat, mit dem Fuß zu malen. „Das größte Glück ist für mich, wenn sich Leute über meine Bilder freuen“, betonte Holzapfel immer wieder. Am 4. Januar 2019 ist der Fußmaler aus dem Bayerischen Wald überraschend verstorben.
Thomas Kahlau ist ein Mundmaler, der seit einem Badeunfall im Jahr 1976 vom Hals abwärts gelähmt ist – damals war er gerade 15 Jahre alt. Anfangs hat er noch aus therapeutischen Gründen gemalt, nach und nach entdeckte er jedoch im Zeichnen und Malen seine „große Liebe“. Und dieser „großen Liebe“ möchte Thomas Kahlau immer noch täglich begegnen. Der „Einstieg“ in seine Arbeiten soll nicht zu kompliziert sein: „Klarheit heißt mein Ziel“, betont er. Seit 2017 ist der Brandenburger Künstler Vizepräsident der Vereinigung Mund- und Fussmalender Künstler e. V. (VDMFK).
Markus Kolp ist seit einem schweren Mopedunfall im November 1982 vom Hals abwärts gelähmt. „Der Unfall hat bei mir viel kaputt gemacht“, erinnert er sich heute, „es war wie bei einem Computer, bei dem die Festplatte gelöscht wurde.“ Trotzdem hat Markus Kolp nicht aufgegeben. Er machte den Realschulabschluss nach und entdeckte mit der Zeit seine Begeisterung für das Malen. „Es ist schön für mich, wenn ich merke, dass ich selbstständig etwas machen kann. Malen ist aufregend, da kann ich mich konzentrieren und mich ganz ins Motiv hineinfühlen“, erzählt der bei Augsburg lebende Mundmaler.
Im Sommer 1983 verletzte sich Markus Kostka durch einen Kopfsprung ins Wasser so schwer, dass er vom Hals abwärts gelähmt blieb. „Der Unfall war für mich wie ein Hammerschlag auf den Kopf“, sagt der Regensburger. Obwohl er anfangs dachte: „Nichts geht mehr“, fand er erstaunlich schnell den Weg zurück ins Leben. Schon in der Klinik begann Markus Kostka, mit dem Pinsel im Mund zu malen und sich immer neue kleine Ziele zu stecken. Schon bald entschied er sich für die schwierige Aquarelltechnik. Besonders Tiere malt er mit Begeisterung: „Ich liebe Tiere – die machen mir Spaß.“
1961 wurde Antje Kratz mit einer Contergan-Schädigung geboren – ohne Arme und Hände. Von Geburt an musste sie lernen, sich mit dieser Behinderung zu arrangieren. Ihre Füße setzt sie längst nicht nur dafür ein, um sich zu bewegen. Mit ihnen macht sie all das, wofür andere Menschen ganz selbstverständlich die Hände nehmen: Sie greift, sie tastet – und sie zeigt mit ihnen ihre Gefühle. „Inzwischen hab ich das gut gelernt und jetzt freue ich mich, wenn die Leute erstaunt sind, dass jemand mit dem Fuß so gut malen kann“, sagt die Frankfurterin, die am liebsten Landschaften und Stillleben malt.
Humor und Lebensmut sind charakteristisch für Werner Mittelbach. Auch wenn seine Muskelkraft aufgrund einer angeborenen Muskelschwächeerkrankung immer mehr nachlässt, scheint der Mundmaler nur so vor Lebenskraft zu strotzen. „Nicht schimpfen, sondern machen“, lautet die Devise des Künstlers, der inzwischen auf den Rollstuhl und ein Atemgerät angewiesen ist. So pragmatisch seine Einstellung, so filigran und zart sind seine vorwiegend mit Tusche gezeichneten Bilder.
Das Leben von Reinhard Melzer hatte gerade erst begonnen, als die Ärzte bei ihm eine spastische Lähmung diagnostizierten. Obwohl er seine Hände nie gebrauchen konnte und viele Jahre im Pflegeheim verbringen musste, hat der Mundmaler seinen Lebensmut nicht verloren. „Aber wenn ich die Malerei nicht gehabt hätte, hätte ich das alles nicht überlebt!“ Wer seine Arbeiten näher betrachtet, wird von der großen Vielfalt überrascht sein: Landschaften, Stillleben, aber auch Porträts und Aktbilder finden sich in seinen Werken. Vorzugsweise malt der Berliner in anspruchsvoller Aquarelltechnik.
Durch eine sehr seltene Gelenksteife, die auf eine Geburtsstörung im Mutterleib zurückzuführen ist, konnte Waldemar Merz seine Hände und Füße nie bewegen. Doch schon mit drei Jahren hatte er gelernt, mit seinem Mund zu malen. „Meine beiden Schwestern haben es genossen, dass ich so gern mit ihnen gebastelt und gemalt habe.“ Aufgewachsen ist Waldemar Merz bei seiner russischen Großmutter, mit der er 1996 nach Deutschland auswanderte. Heute lebt der Mundmaler im baden-württembergischen Geislingen. Am liebsten malt Waldemar Merz Bilder vom Meer und Landschaften, aber auch Architektur.
Als schwerbehindertes Mädchen, das spastisch gelähmt zur Welt kam, war es für Renate Schaible-Kaufmann nicht möglich, zusammen mit ihren Freundinnen lesen, schreiben und rechnen zu lernen. Sie konnte nur zu Hause bleiben und wurde dort – so gut es ging – von ihrer Mutter unterrichtet. „Ich habe aber gesehen, dass alle Kinder in der Schule malen. Das wollte ich auch. Da habe ich den Stift in den Mund genommen und versucht, so zu malen.“ Sie malte am liebsten Bilder mit viel Licht und gelben Farbtönen und ließ sich dabei von der Natur in ihrer Heimat Ludwigshafen inspirieren.
Mit einer Verkrümmung aller Gelenke an Armen und Beinen kam Petra Wenig zur Welt. Schnell musste sie lernen, dass sie nicht wie ihre Geschwister herumtollen konnte – sondern im Rollstuhl sitzen musste und nicht einmal ihre Hände gebrauchen konnte. „Später dann habe ich mit dem Malen angefangen, weil ich so viele Bilder im Kopf hatte.“ Nach und nach entwickelte sich ihr Interesse an der Kunst und die Freude am Malen. Heute taucht die Mundmalerin aus dem Fichtelgebirge mit ihren Motiven gerne in eigene Bilderwelten ein, die sie mit den verschiedensten Maltechniken umsetzt.
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